Forschung

Auf der nachfolgenden Seite möchten wir Sie über aktuelle Forschungs- und Publikationsvorhaben der Abteilung für Didaktik der Geschichte informieren.


Publikationsvorhaben

Helfer, Florian; Geiss, Peter; Müller-Tietz, Sandra; Rohrschneider, Michael: Overcoming Conflict. History Teaching—Peacebuilding—Reconciliation. Wiesbaden: Springer VS.

In Vorbereitung, vorauss. 2023.

Das Herstellen von friedlichen Verhältnissen bis hin zur Versöhnung zwischen verfeindeten Gruppen und Nationen gehört zu den schwierigsten, aber auch wichtigsten Herausforderungen für moderne Gesellschaften. Allzu oft verhindern gegensätzliche Perspektiven und Dissens bezüglich der Interpretation der geteilten Geschichte eine Annäherung. Wie kann Geschichtsunterricht dazu beitragen, gegensätzliche historische Narrative zu überwinden und historische Konflikte zu lösen, die generationenübergreifend weitergegeben oder sogar erneuert, verändert und für gegenwärtige politische Zwecke instrumentalisiert werden? Dieser Sammelband umfasst zwölf Fallstudien – von Mittel- und Osteuropa bis Südafrika, vom Nahen Osten bis Ostasien – über Erfolge und Misserfolge im nie enden wollenden Streben nach einem friedlichem Zusammenleben. Sie alle verweisen zurück auf die fundamentale Frage unserer Disziplin: Können wir aus der Geschichte lernen?

Aufgrund des Ausbruchs der Pandemie mussten wir leider kurzfristig eine internationale Tagung für Wissenschaftler*innen und Peacebuilding-Expert*innen aus aller Welt absagen. Umso mehr freuen wir uns darüber, dass die Veranstaltung, die nie stattfinden konnte, “Understanding and overcoming conflict. Bonn international conference on history teaching and peacebuilding”, nichtsdestotrotz in eine Publikation mündete, welche die oben aufgeführten Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Der Sammelband präsentiert Forschungsergebnisse über Friedensstiftung und Versöhnung in ganz unterschiedlichen Kontexten und Weltregionen. Wir hoffen, dass er ein in der Gegenwart allzu relevantes Thema historisch vertieft und dadurch denjenigen etwas Orientierung bietet, die an der Erforschung und Realisierung von Friedensprozessen in aller Welt beteiligt sind.


Prof. Dr. Peter Geiss

„Historia magistra vitae – eine Geschichte des Lernens aus der Geschichte“

Die epochenübergreifende Studie zeigt am Beispiel ausgewählter Entscheidungssituationen, wie politische und gesellschaftliche Akteure in verschiedenen Handlungszusammenhängen jeweils aus der Geschichte lernen wollten – oder zu lernen vorgaben.

Hinter dieser Befragung der „Geschichte als Lehrmeisterin des Lebens“(Cicero) standen unterschiedliche Motive: Mal ging es tatsächlich darum, in unübersichtlichen Zeiten Orientierung für das eigene Handeln zu gewinnen, mal stand aber auch die Absicht im Vordergrund, das eigene Handeln als zwingende Konsequenz irgendwelcher „Lektionen“ der Geschichte zu legitimieren.

Um dieses Phänomen in seinem überaus anregenden Facettenreichtum ausleuchten zu können, nimmt die Studie so unterschiedliche Figuren wie Oktavian/Augustus, Gregor VII., Neville Chamberlain, John F. Kennedy, Léopold Sédar Senghor, Ulrike Meinhof oder Joschka Fischer in ihren jeweils spezifischen Denkhorizonten und Entscheidungskonstellationen in den Blick.

Besonderes Interesse finden dabei jene Konstellationen, in denen das Bemühen um die vermeintlich „richtigen“ Lehren der Vergangenheit nicht zu Ergebnissen geführt hat, die wir im Rückblick als erfolgreich oder ethisch akzeptabel empfinden würden.

Die hinter dem Projekt stehende Hoffnung besteht darin, dass vielleicht gerade die Auseinandersetzung mit diesen problematischen Fällen des „Lernens aus der Geschichte“ dazu beitragen kann, unseren Blick (selbst-)kritisch dafür zu schärfen, welche Art der handlungsleitenden Orientierung wir bei nüchterner Betrachtung in historischer Erkenntnis finden können – und wo wir Gefahr laufen, Geschichte lediglich als vorgeschobenes „Argument“ (Hans-Werner Goetz) oder gar als „Waffe“ (Edgar Wolfrum) zu verwenden.

Historisches Lernen in Deutschland und Frankreich:

Positionen – Praktiken – Synergien

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© Centre Ernst Robert Curtius

Sandra Müller-Tietz

Dissertationsvorhaben

Die beiden Nachbarländer Deutschland und Österreich teilen nicht nur eine gemeinsame Sprache, sondern auch kulturelle Aspekte und eine gemeinsame Geschichte – vom Habsburgerreich über eine in vielerlei Hinsicht parallele Geschichte des Nationalismus und Liberalismus im 19. Jahrhundert hin zur verflochtenen Geschichte des 20. Jahrhunderts und den beiden Weltkriegen. Aber wird diese gemeinsame, parallele und verflochtene Geschichte in der aktuellen Geschichtskultur auch als solche erzählt? Oder finden vielmehr jeweils nationale Vereinnahmungen statt? Das Qualifikationsprojekt untersucht ausgehend von einer Theorie eines gemeinsamen Erinnerungsraumes die Frage, ob und wie in Schulbüchern für den Geschichtsunterricht aus Deutschland und Österreich eine gemeinsame oder getrennte Geschichte der beiden Staaten erzählt wird. In den Blick genommen werden dazu aktuell für den Geschichtsunterricht zugelassene Schulbücher, die als multi-mediale, hochverdichtete und hochkomplexe Narrationen eine politisch legitimierte (National-)Geschichte erzählen und damit integraler Bestandteil der Geschichtskultur sind.


Florian Helfer

Dissertationsvorhaben

Die mit der kolonialen Vergangenheit verbundene kollektive Erinnerung in europäischen Gesellschaften hat sich seit der Jahrtausendwende auf fundamentale Weise verändert. Dazu haben neben dem postcolonial turn ein allgemeiner memory boom (Winter 2000) sowie eine zunehmende Globalisierung der Erinnerung (z.B. Conrad 2019; Levy/Sznaider 2001) beigetragen. Kritische Perspektiven auf die Kolonialzeit verdrängen einerseits eine nach wie vor vorhandene, tradierte Kolonialnostalgie, andererseits aber auch eine „postkoloniale Amnesie“ (e.g. Melber/Kößler 2018; Zimmerer 2011), wie sie verschiedentlich beklagt wird. Die Doktorarbeit spürt diesen Diskursverschiebungen im Verlauf dreier Jahrzehnte nach. Dabei greift sie in erster Linie auf Presseerzeugnisse von Zeitungen und Magazinen mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen über zwei Fallbeispiele zurück: dem historischen Erbe des Völkermords an den OvaHerero und Nama in Deutsch-Südwestafrika (1904–1908) und dem Mau-Mau-Krieg in der britischen Kolonie Kenia (1952–1957). Mittels der histoire croisée (Werner/Zimmermann 2002) will die Arbeit transnationale Momente ebenso wie nationenspezifische Ursachen für die Veränderung des postkolonialen Erinnerungsdiskurses identifizieren. Außerdem kommen als theoretische Ansätze die Historische Diskursanalyse, agenda setting und framing als Konzepte der Medienwirkungsforschung sowie jüngere Ansätze der postcolonial und memory studies zum Tragen, wie etwa Michael Rothbergs multidirectional memory (2009).

Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass die öffentliche Rezeption von sogenannten trigger events der postkolonialen Erinnerung zugenommen hat. Zwar ebbt die Berichterstattung über ein bestimmtes Ereignis oder Thema nach einem anfänglichen Schub normalerweise wieder ab. Meine Hypothese ist hingegen, dass die Diskursereignisse der letzten drei Jahrzehnten schrittweise zu einer größeren Sensibilität gegenüber postkolonialen Themen geführt haben. Gleichzeitig hat sich die Frequenz solcher Ereignisse erhöht. Die Doktorarbeit untersucht die Gründe und den Verlauf dieser Entwicklung. Dadurch schärft sie den Blick für die gegenwärtige Relevanz der kolonialen Vergangenheit und für den globalen Transformationsprozess unserer Erinnerung an eine von Gewalt geprägte, geteilte Geschichte.


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