Forschungsprojekte

Als der Bonner Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz und sein Berliner Kollege Henning Köhler vor über dreißig Jahren an ihren Biographien zu Konrad Adenauer schrieben, ging es darum, die Innensicht eines langen politischen Lebens zum ersten Mal mit den Mitteln der Geschichtswissenschaft im Detail zu erfassen. Im Ergebnis boten Schwarz wie Köhler eine bis dahin nicht erreichte empirisch gesättigte Darstellung der privaten wie der politischen Biographie des ersten Bundeskanzlers und stritten sich dabei auch gelegentlich – wie etwa bei der Einschätzung von Adenauers vermeintlicher oder eben tatsächlicher Verfolgung im „Dritten Reich“. 

Vermutlich liegt es an diesen Pionierarbeiten der beiden Autoren, dass seitdem keine wissenschaftliche Biographie Konrad Adenauers mehr erschienen ist. Die geplante Studie möchte dies ändern. Es geht darum, nach über dreißig Jahren wiederum eine wissenschaftlich fundierte Biographie des ersten Bundeskanzlers vorzulegen, die den seitdem völlig veränderten Forschungsständen in vielen Gegenstandsbereichen, die mit dem langen Leben Adenauers verbunden sind, ebenso Rechnung trägt wie den gewandelten konzeptionellen Grundlagen der historischen Biographieforschung. Es soll eine moderne Biographie Konrad Adenauers entstehen, die über die Person hinaus neue Erklärungen vor allem für die frühe Bundesrepublik anbietet und darüber hinaus zur Einordnung der Bonner Republik in die Geschichte des 20. Jahrhunderts beiträgt. Sie tut dies auf breiter archivalischer und wissenschaftlicher Grundlage und möchte gleichzeitig ein breites Lesepublikum ansprechen.  

Die Studie erscheint unter dem Titel „Konrad Adenauer - Dreieinhalb Leben. Biographie“ im Oktober 2025 bei dtv. Weitere Informationen finden Sie hier

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Friedrich Kießling / Prof Dr. Laura Münkler, Universität Bonn

wissenschaftliche Mitarbeiter: Johannes Pötz und Max Schuckart

In dem interdisziplinären Forschungsvorhaben soll aus historischer, wie aus juristischer Perspektive die nationalsozialistische Vergangenheit des Handelns der Vorgängerbehörde des  Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS), dem Reichsversicherungsamtes (RVA), im Institutionengefüge der NS-Diktatur aufgearbeitet werden. 

Unter Leitung von Prof. Dr. Friedrich Kießling und Prof Dr. Laura Münkler wird das Agieren des Reichsversicherungsamtes in seiner Rolle als Rechtsaufsichts- und Mitwirkungsbehörde sowie als letzte Instanz in Rechtsstreitigkeiten während der Zeit des Nationalsozialismus erforscht werden. Dazu werden insbesondere die Institutionengeschichte, die Sachpolitik, die Personalpolitik und das leitende Personal sowie die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes im Fokus stehen. 

Im Rahmen der Institutionengeschichte werden zunächst der Behördenaufbau und dessen Veränderung 1933 sowie in den Folgejahren mit besonderer Aufmerksamkeit auf die Folgen des Gesetzes vom Juli 1934 inklusive der daraus resultierenden Kompetenzzuwächse untersucht. Eine weitere Zäsur stellt der Kriegsausbruch dar, der sowohl eine Reduktion der Arbeitslast durch Verschlankung interner Prozesse als auch eine Expansion der Zuständigkeiten in den angegliederten und besetzen Gebieten sowie den Einsatz von sogenannten Fremd- sowie von Zwangsarbeitern mit sich brachte. Daneben steht die sachpolitische Analyse mit der Frage, welche Rolle das Reichsversicherungsamt bei der Politisierung und „Biologisierung“ sowie nicht zuletzt der Ökonomisierung des Sozialversicherungssystems im Nationalsozialismus spielte und welchen Beitrag es damit zur NS-Verfolgungspolitik leistete. Darüber hinaus soll erstmalig eine systematische Untersuchung des leitenden Personals mit Fokus auf den höheren Dienst  sowie eine Untersuchung der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes vor dem Hintergrund einer nationalsozialistischer Ideologie erfolgen.

Das Forschungsprojekt wurde in Auftrag gegeben vom Bundesamt für Soziale Sicherung.

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Friedrich Kießling / Prof. Dr. Christoph Safferling, Universität Erlangen-Nürnberg

Die Herausforderungen für Rechtsstaat und Demokratie in Deutschland nehmen zu. Der Blick zurück auf die Gründung der Bundesrepublik und die Krisen der vergangenen 75 Jahre zeigt: Unsere Demokratie ist stabiler, als viele Schwarzseher wahrhaben möchten. Der gesellschaftliche Zusammenhalt während der stürmischen Krisen der zurückliegenden Jahre – Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Pandemie, Ukrainekrieg – hat sich als resilient erwiesen. Und im europäischen Vergleich auffällig: Die radikalen Parteien können in Deutschland noch von der Macht ferngehalten werden. Aber die Anfechtungen sind groß und nur durch entschiedenes politisches Handeln, durch eine Reform des Rechtsstaats, kann Deutschland bleiben, was es ist: Eine freiheitliche Demokratie.

Das Buch zu diesem Projekt "Der Streitfall: Wie die Demokratie nach Deutschland kam und wie wir sie neu beleben müssen" erscheint im März 2024 im dtv Verlag. (Publikation beim Verlag)

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Friedrich Kießling / Prof. Dr. Christoph Safferling, Universität Erlangen-Nürnberg (wiss. Mitarbeiterin u.a.: Yvonne Blomann)

Als Erste in der Bundesjustiz hat die Bundesanwaltschaft eine Forschungsstudie zu ihrer Vergangenheit in den Anfangsjahrzehnten der Bundesrepublik in Auftrag gegeben. Durchgeführt wurde die interdisziplinäre Studie von dem Historiker Professor Dr. Friedrich Kießling vom Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Bonn und den Rechtswissenschaftlern um Professor Dr. Christoph Safferling vom Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Gemeinsam haben die Wissenschaftler die Anfänge der Bundesanwaltschaft nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Ende der Amtszeit von Generalbundesanwalt Ludwig Martin im Jahr 1974 erforscht. Unter anderem wurde untersucht, wie die Bundesanwaltschaft mit den aus dem Dritten Reich resultierenden persönlichen und politischen Belastungen umgegangen ist. Es wurde gezeigt, welche und wie viele nationalsozialistisch belastete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Anfangszeit der Behörde an welchen Stellen tätig waren und welchen Einfluss dies auf die Arbeit der Bundesanwaltschaft hatte. Dazu gewährte die Bundesanwaltschaft den Forschern neben den Sachakten umfassenden Einblick in die Personalakten der bei der Behörde bis Mitte der 1970er Jahre beschäftigten Mitarbeiter, darunter auch die von Wolfgang Fränkel, der 1962 nur drei Monate nach seiner Ernennung zum Generalbundesanwalt wegen seiner Tätigkeit bei der Oberreichsanwaltschaft und seiner damit verbundenen Beteiligung an Todesurteilen in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde. Zum ersten Mal wissenschaftlich untersucht wurde darüber hinaus die Rolle der Bundesanwaltschaft in wichtigen Staatsschutzverfahren, von den frühen Verfahren gegen Kommunisten sowie den bundesdeutschen Rechtsradikalismus über die Spiegel-Affäre bis zu den ersten Verfahren gegen die RAF. Die Ergebnisse wurden Ende 2021 im dtv Verlag unter dem Titel "Staatsschutz im Kalten Krieg" in Buchform veröffentlicht. (Publikation beim Verlag)

Projektverantwortliche: Prof. Dr. Kießling in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Brummer


Das Projekt nimmt seinen Ausgangspunkt von der gleichermaßen für Politik- wie Geschichtswissenschaft wichtigen Überlegung, dass die Außenbeziehungen eines Landes nicht nur von materiellen Größen bestimmt werden, von Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft, vielleicht auch Geografie, und auch nicht nur von klassischen Macht- und Interessenkalkulationen, seien sie außen- oder innenpolitisch bestimmt, sondern dass ein weiterer Faktor wichtig ist, nämlich gesellschaftlich gebildete Sinnkonstruktionen. Auf diese Weise wird die Frage der Vorstellungen davon, welche Position das eigene Land im internationalen System hat oder auch haben soll, von Bedeutung. Eine im Frühjahr 2018 an der Universität Eichstätt-Ingolstadt stattfindende Tagung nahm solche Überlegungen aus Politik- und Geschichtswissenschaft auf und fragte, welche Rollen historisch in der Bundesrepublik zu fassen sind, wie sie sich verändert – und damit möglicherweise „normalisiert“ – haben und welche Bedeutung ihnen für die heutige Sicht auf die bundesdeutsche Position in den internationalen Beziehungen zukommt. Darüber hinaus ging es in dem Projekt darum, entsprechende geschichts- wie politikwissenschaftliche Überlegungen stärker als bisher ins Gespräch zu bringen. (Publikation beim Verlag)

Projektverantwortlicher: Prof. Dr. Kießling (wiss. Mitarbeiter u.a.: Christoph Teubner)


Ziel der Arbeit der unabhängigen Historikerkommission war die Erforschung der Geschichte des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft im Kontext der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Dabei wurden insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt: Die Wiederbegründung des Ministeriums im Jahr 1949; die Geschichte seiner Vorgängerinstitutionen; die Frage nach der personellen und sachlichen Kontinuität bzw. Diskontinuität; die Haltung zu seinen Vorgängerinstitutionen; die Rolle der Verbände; die zeitlich parallelen Entwicklungen in der Deutschen Demokratischen Republik. Der Schwerpunkt der Arbeit, die Prof. Kießling als Mitglied der Historikerkommission des Landwirtschaftsministeriums von 2016 bis 2020 am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt durchgeführt hat, lag bei der Erforschung der Wiederbegründung des Ministeriums 1949 sowie der Entwicklung in der frühen Bundesrepublik bis Anfang der 1970er Jahre. Im Mittelpunkt standen Fragen der staatlichen Personalpolitik in der Nachkriegszeit ebenso wie ideengeschichtliche Kontinuitäten, Fragen sachlicher wie struktureller Kontinuität und Diskontinuität in obersten Bundesbehörden nach 1945 sowie die beginnende Europäisierung der Landwirtschaftspolitik in der frühen Bundesrepublik. (Publikation beim Verlag)

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