Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2021/22

Prof. Dr. Martin Aust

Vorlesung:
Die Frauen und Männer des Imperiums. Geschlechtergeschichte Russlands und der Sowjetunion (16.-20. Jh.)

Die Vorlesung bietet eine geschlechtergeschichtliche Perspektive auf ein Arbeitsfeld, das meine Lehre und Publikationen in den letzten zehn Jahren stark geprägt hat: die Geschichten Russlands und der Sowjetunion als Imperien. Bereits das Forschungsprojekt Imperial Subjects hat nach autobiographischen Praktiken von Menschen gefragt, die in Imperien lebten, sie entweder trugen und gestalteten oder erlitten und ihren Lebensentwurf mit der Beschreibung des Imperiums verknüpften. Die Vorlesung greift diesen Ansatz auf und wendet ihn geschlechtergeschichtlich an. In einem chronologischen Durchgang vom 16. Jahrhundert bis zum Ende des 20. Jahrhunderts werden Frauen und Männer im Mittelpunkt der Vorlesung stehen, deren Lebensläufe und autobiographische Texte eng mit der Geschichte des Imperiums verbunden sind.

Hauptseminar:
Vom Ende der Geschichte zum anderen Ende der Geschichte. Zeitgeschichtsdiagnosen des östlichen Europas 1989/91-2021

Als 1989 der Kommunismus im östlichen Europa an sein Ende kam und 1991 Russland, die Ukraine und Belarus die Sowjetunion auflösten, schien die Ost-West-Teilung überwunden und die Zukunft Europas, ja womöglich der Welt, im Zeichen von Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Kapitalismus zu stehen. Francis Fukuyama sprach vom Ende der Geschichte. Dreißig Jahre später ist die Euphorie von 1989 einer tief greifenden Ernüchterung gewichen: Russlands Annexion der Krim und verdeckter Krieg im Donbass, autoritäre bis diktatorische Regime in Russland und Belarus sowie autoritäre Regierungen in Polen und Ungarn zeigen ein anderes Ende der Geschichte, wie Philipp Ther es im Titel seines Buches als Echo auf Fukuyama fasst. In den zurückliegenden dreißig Jahren hat die Geschichtsschreibung Impulse aus dem Wandel im östlichen Europa empfangen. Zugleich haben Intellektuelle sowie auch Historikerinnen und Historiker Gegenwartsdiagnosen des östlichen Europa geschrieben, in denen der Blick in die Geschichte ihre Analyse informiert. Das Hauptseminar untersucht den Umgang mit Geschichte in diesen zeitdiagnostischen Texten über das östliche Europa von 1989/91 bis 2021.

Übung:
Quellenlektüre Osteuropäische Geschichte

Die Übung Quellenlektüre dient als Angebot polnische, ukrainische und russische Sprachkenntnisse anhand einschlägiger Quellen oder auch historiographischer Texte zu erweitern, zu üben und zu vertiefen. Voraussetzung sind Grundkenntnisse in einer der genannten Sprache. Die Erfahrungen der vorangegangenen Semester haben gezeigt, dass sich in dieser Übung in einer kleinen Runde unterschiedliche Niveaustufen in die Übersetzungsübungen integrieren lassen. Somit ermutigt und lädt die Übung alle am östlichen Europa Interessierten mit Grundkenntnissen in einer der drei Sprachen Russisch, Ukrainisch und Polnisch zu einem Ausflug in die Welt osteuropäischer Quellen ein.

Kolloquium:
Kolloquium zur Geschichte Osteuropas

Das Colloquium versammelt Vorträge zu aktuellen Themen der Osteuropäischen Geschichte von Bonner Absolventinnen und Absolventen sowie auswärtigen Gästen. Es dient allen an der Osteuropäischen Geschichte Interessierten als Diskussionsforum und Laboratorium. Das Colloquium findet in Präsenz statt. Lediglich ein oder zwei Termine mit auswärtigen Referent*innen werden digital per zoom stattfinden.


Dr. Katja Makhotina

Proseminar:
Die Sowjetunion unter Stalin (1927-1953): Neue Ansätze der Stalinismusforschung

Die Zeit zwischen dem Beginn des ersten Fünfjahresplanes samt nachfolgender Zwangskollektivierung und dem Tod Stalins ging als Ära des „Stalinismus” in die Geschichtsschreibung ein. In der gesamten sowjetischen Geschichte stellte dieser Zeitabschnitt eine besondere Form der Herrschaftsverfassung sowie der Sozial- und Kulturpolitik dar. Somit unterschied sich diese Phase gravierend von der Zeit davor (Leninismus) und danach (Chruschtschows Liberalisierung). Die Übung diskutiert unterschiedliche Ansätze der Stalinismusforschung in der westlichen und russischen Geschichtsschreibung – u.a. Stalinismus als Zivilisation, das Stalinsche im öffentlichen Raum sowie seine individuelle Subjektivierung und Reflexionen des Stalinismus in Kunst und Kultur. In der Übung soll neben der Rolle der Gewalt (von Säuberungswellen der Parteikader bis zum Großer Terror), der Ideologie und des Personenkults auch das alltägliche Leben der jungen sowjetischen Gesellschaft („Flugsandgesellschaft”, Moshe Lewin) besprochen werden. Aufgrund der bis heute sehr widersprüchlichen Wahrnehmung von Stalin und der Zeit des Stalinismus in der russischen Gesellschaft, wird der Themenaspekt des Stalinismus in der post-sowjetischen Erinnerungskultur einen ebenfalls wichtigen Platz in der Übung einnehmen.

Übung:
Der Zweite Weltkrieg im östlichen Europa: Geschichte und Erinnerung

„Aber die Kriegsenden nahmen kein Ende“: Die Beobachtung des Philosophen und Historikers Reinhard Kosellecks, es gebe nicht ein Kriegsende, sondern viele unterschiedlich wahrgenommene Kriegsenden, ist heute aktueller denn je. Über 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges spürt man besonders deutlich, dass es in Europa keine Einigkeit darüber gibt, wie dieses zentrale Ereignis des 20. Jahrhunderts zu erinnern sei. Der von Koselleck angesprochene Dissens der Erinnerungen an das Kriegsende bringt die unterschiedlichen Erfahrungen des Krieges zum Ausdruck. Der Krieg im Osten unterschied sich nicht nur vom Krieg im Westen, es war ein Krieg „wie kein anderer“. Der rassenideologisch bedingte Krieg der Deutschen konfrontierte die Menschen in Osteuropa mit einer beispiellosen Dimension von Grausamkeit. Der Überfall auf Polen war der Auftakt zum Vernichtungskrieg, dem sechs Millionen Polen zum Opfer fielen, und mit der „Operation Barbarossa“ am 22. Juni 1941 begann der Raub- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, der 27 Millionen Menschen das Leben kostete. Doch auch die Erfahrungen der besetzten Völker Osteuropas waren unterschiedlich. Die Politik gegenüber „Slawen“ – Polen, Ukrainern, Belarussen, Russen – nahm genozidale Züge an; für die jüdische Bevölkerung der Sowjetunion bedeutete der deutsche Überfall den Anfang des systematischen Massenmords – des „Holocaust durch Kugeln“.

An Beispielen historische Orte wie Warschau, Vilnius, Lwow, Kiev, Stalingrad, Leningrad, Minsk u.a. werden verschiedene nationalen Perspektiven auf den Zweiten Weltkrieg diskutiert und die Fragen nach den politischen Funktionen der neu entwickelten Meistererzählungen aufgeworfen. Wir werden uns im Seminar auch praktisch mit den deutschen Erinnerungskulturen befassen: Wie sieht die Erinnerung „vor der Haustür“ aus? Welche Orte könnten uns die Geschichten der Opfer aus dem östlichen Europa erzählen? Je nach dem die Corona-Regelungen es erlauben, werden wir einige sowjetische Kriegsfriedhöfe und Gedenkorte besuchen. Als Vorbereitung auf den Kurs wird das digitale Projekt Bonner Leerstellen empfohlen! Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden zum Verfassen eigener Texte angeregt.


Prof. Dr. Béla Bodó

Hauptseminar:
The Unfinished War: Low-Intensity Conflicts, Civil Wars and Peacemaking after World War I

This course discusses the question why the war failed to end in 1918 and what forms armed conflicts took after the official conclusion of the hostilities. The seminar focuses on revolutions and counterrevolutions, national and ethnic conflicts, border wars in Europe, the Balkans and the Middle East between 1918 and 1923. The topics include: foreign occupations, mass flights and expulsion of civilian groups in Europe after 1917. Topics include Bolshevik revolution and its impact; the Red Scare; counterrevolutions from Hungary to Finland; the destruction of empires; peacemaking after 1918; the struggle over the fate of Trieste, Fiume and the entire Adriatic coast after the war. rise of fascism in Italy; German experimentation with democracy; the French occupation of the Ruhr and the Rhineland; nation buildings in East Central Europe and the Balkans, The course will pay special attention to paramilitary politics from Britain and France to Poland, Germany, Hungary, Ukraine and Russia.

Language: bilingual, German/English

Übung:
Die Geschichte der ethnischen Minderheiten in Osteuropa von 1800 bis heute/History of Ethnic Minorities in Eastern Europe. 1800 - Present

This course examines the fate of ethnic minorities in Eastern Europe in the context of rising nationalism, the formation of nation-states, and war and revolutions from the early nineteenth century to the Present. Student will read texts on, and discuss such important issues, as: the rise of nationalism in Eastern Europe after the French Revolution; empires, absolutism and the birth of the idea of an oppressed nation in the early nineteenth century; the Awakening the Nations: 1848/49 Revolution; modernizing empires: from oppression to concession to nationalism and ethnic minorities; the imperialist turn: centralization, modernization and forced assimilation before 1914; The First World War and the destruction of multiethnic empires; the Bolshevik Revolution, the formation of the Soviet Union and Leninist policy towards ethnic minorities; peace treaties and the creation of nation states in East Central Europe; the Stalinist Turn: the rise of Russian nationalism in the Soviet Union after 1929; the failure of the League Nation and the continued oppression of ethnic minorities in East Central Europe in the interwar Period; Holocaust; ethnic cleansing and expulsion during WWII and its aftermath; the Communist policy towards ethnic minorities after 1948; the role of nationalism in the collapse of communism and the destruction of the Soviet Union; the European Union, minority rights and ethnic conflicts in Eastern Europe since 1990.

Language: bilingual, German/English

Übung:
Geschichte des modernen Ungarn / History of Modern Hungary, 1918-Present

This course examines the history of modern Hungary from the outbreak of the First World War to the present. It analyses the main political events and social and cultural developments in a wider East-Central European and continental context. We will discuss such important and controversial issues as: Hungary’s role and participation in the First World War; revolutions and counterrevolutions between 1918 and 1920; the Treaty of Trianon and its short- and long-term consequences; the nature of the Horthy regime; Hungarian participation in WWII on the side of Nazi Germany; Hungarian role in and responsibility for the genocide of Hungarian Jews; and the Communist takeover of power and the creation of the totalitarian state; gulyás Communism and liberalization in the 1960s and 1970s, and the collapse of the one-party state in 1989. Students will debate if Hungary witnessed a revolution/counterrevolution or a rebellion in October 1956; whether the Kádár regime and “gulyás Communism” represented a betrayal of Communism or its fulfillment; if the regime delivered on its promises to modernize Hungary or led the country into an economic and cultural cul-de-sac. Finally, we will debate if Hungary and East Central Europe witnessed a true revolution in 1989, or only a regime change and discuss political development, including the rise of “illiberal democracy” in the last ten years.

Language: bilingual: German/English


Dr. Diana Ourdubadi

Übung:
Russische Entdeckungsexpeditionen des 18. Jahrhunderts

Im Kontext der europäischen Erschließung des asiatischen Raumes wurde das Russische Reich im 18. Jahrhundert als eine wichtige geographische, aber auch als eine zivilisatorische Brücke zwischen Europa und Asien verstanden. Vor allem Sibirien und der Ferne Osten weckten das Interesse der russischen Forscher. Im Mittelpunkt stand die allseitige wissenschaftliche Erforschung dieser – aus europäischer Sicht peripheren – Regionen unter Einschluss der Kulturen der indigenen Bevölkerung. Die aus diesem Interesse resultierenden Forschungsreisen und -expeditionen sollten einen entscheidenden Beitrag zur geistigen Annäherung und dadurch auch zur politisch-wirtschaftlichen Verständigung zwischen der „alten” und der „neuen” Welt leisten. Die Übung beschäftigt sich mit den wichtigsten russischen Entdeckungsexpeditionen des 18. Jahrhunderts, entsendet durch die Russische Akademie der Wissenschaften und durch die russische Regierung: der großen Nordischen Expedition, Krenicyn-Levasov-Expedition, Billings-Sarycev-Expedition und anderen. Die Quellenanalyse von u.a. auch auf Deutsch und Englisch erschienenen Reiseberichten soll dazu dienen, die europäischen Kontakte mit indigenen Völkern und das Phänomen der Begegnung mit dem Fremden zu untersuchen.

Übung:
Die Formen Weiblicher Macht im Moskauer Reich der Vorpetrinischen Zeit

Die Übung beschäftigt sich mit Formen der weiblichen Macht am russischen Hofe in der stark patriarchalischen Gesellschaft Moskowiens des 16. und 17. Jahrhunderts. Damals war die Stellung einer Frau, auch einer Zarin, im Moskauer Reich der Vormoderne streng definiert und schloss keine Funktionen als Machtträgerin neben ihrem Ehemann ein. Denn in dieser Hinsicht war der starke Einfluss der orthodoxen Kirche für die Situation der Frauen von enormer Bedeutung. Propagiert und streng befolgt wurden klare, aus der Bibel abgeleitete Gender-Vorstellungen. Nichtsdestotrotz konnten moskowitische Frauen im rechtlichen und sozialen Raum als relativ gut geschützt und gesichert gelten, solange sie sich nur an die bestehenden Verhaltensregeln hielten und sich in der Öffentlichkeit als still, fromm und dem männlichen Geschlecht in allem unterlegen zeigten. Es machte für hochadlige Damen durchaus möglich, aus dem Hintergrund die Fäden zu ziehen und teilweise schleichend eigene Einflusspositionen zu verbessern. Dieser Aspekt und die damit verknüpften sozialen Entfaltungsräume für Frauen werden in der Übung genauer betrachtet. Denn schließlich waren viele von weiblichen historischen Figuren nicht nur günstige Legitimationsinstrumente für männliche Herrscher, sondern ebneten mit ihrem mutigen selbstbewussten Auftreten, aber auch mit tragischen Schicksalen (wie z. B. Marina Mniszech oder carevna Sof’ja) den Weg für erfolgreiche Kaiserinnen des 18. Jahrhunderts.


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