Lehre SoSe 2022

Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2022

Dr. Katja Makhotina

Vorlesung:
Der Zweite Weltkrieg und Osteuropa. Geschichte und Erinnerung

Die Vorlesung gibt einen Überblick über die Geschichte des Zweiten Weltkrieges im östlichen Europa und über die Erinnerung daran. Diesen Krieg plante die NS-Führung Deutschlands als einen präzedenzlosen Raub- und Vernichtungskrieg, bei dem der Tod von Millionen Menschen im Voraus kalkuliert war. Bereits nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 wurde die Schwelle zum Vernichtungskrieg überschritten, und das so genannte „Unternehmen Barbarossa“ war in ihrer Vernichtungsabsicht noch radikaler, noch mörderischer. In den rassenideologischen Überlegungen wurde ganzen Bevölkerungsgruppen das Recht auf Leben abgesprochen. Für Hitler war der Raum im Osten »wüst und leer«, die Bevölkerung sollte kolonisiert und ausgebeutet werden. Die maximale Ausnutzung der besetzten Gebiete, Vertreibung und Vernichtung der Menschen war ein Teil dieser Lebensraumpolitik. Die radikalen Beutefantasien und der Kampf gegen die »Todfeinde« – die jüdische Bevölkerung und die Bolschewisten – kamen im »Unternehmen Barbarossa« zusammen. Das machte den Vernichtungskrieg zum integralen Teil des Nationalsozialismus. Der Genozid an den sowjetischen Juden – holocaust by bullets – ist als Teil deutscher Vernichtungspolitik im Osten in diesem Kontext zu sehen. Die Vorlesung nimmt daher vor allem die Erfahrung der Besetzten in den Blick und gibt anhand der Selbstzeugnisse den Menschen, die die deutsche Gewalt erfahren haben, eine Stimme.

Zugleich gibt es – auch über 75 Jahren nach dem Kriegsende - keine gemeinsame europäische Erinnerungskultur in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg. Über die Erinnerungsdiskurse wird auf der nationalen und internationalen Ebene gestritten. In der Vorlesung werden die wichtigsten Kontroversen skizziert und die theoretischen Konzepte der memory studies erläutert.

Hauptseminar:
Sprache der Erinnerung: Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion

Die Einsicht, dass die Sprache eine große Wirkung darauf hat, wie Geschichte ge­schrieben und verstanden wird, zählt zu den unabdingbaren Reflexionsebenen der memory studies. Die Untersuchungen des nicht-offiziellen Erinnerns, wie Interviews mit den Überlebenden mithilfe von Oral History, haben gezeigt, dass sich die Wiedergabe des Erfahrenen stark an den populären Motiven der kulturellen Erinnerung orientiert.

In unserem Seminar nehmen wir die Narrativität der Erinnerung in den Blick und untersuchen diese anhand der Selbstzeugnisse auf breiter theoretischer Basis, die geschichtswissenschaftliche, anthropologische, sozial- und kulturwissenschaftliche Ansätze vereint.

Um nur ein Beispiel zu bringen: Es ist auffällig, dass der Holocaust durch Kugeln auf dem Gebiet der Sowjetunion im populären historischen Bewusstsein so wenig präsent und die Orte wie Ponar, Malyj Trostenez und Babyn Jar kaum bekannt sind. Das hängt damit zusammen, dass uns die Stimmen dieser Opfer weitestgehend fehlen: In den meisten Fällen hatte man keine Zeit, Selbstzeugnisse zu hinterlassen, und da die ganzen Familien vernichtet wurden, endet die Opferperspektive eben am Erschießungsgrab. Im Gegensatz zur umfangreichen Lagerliteratur, in der das Grauen entweder auswendig gelernt oder heimlich notiert werden konnte, liegen uns fast keine Erzählungen von der deutschen Gewalt aus den besetzten Gebieten der Sowjetunion vor.

Die wenigen Ausnahmen, die es gibt, – wie zum Beispiel Das Schwarzbuch von Wassili Grossman und Ilja Ehrenburg oder das Tagebuch von Mascha Rolnikaite, der „litauischen Anne Frank“, – werden Gegenstand unserer Analyse sein. Wir fragen nach den zentralen Symbolen der Traumaforschung wie der Figur des Kindes, untersuchen kommunistische Narrative des Widerstands und die Bedeutung der Fremdsprache beim Schreiben über Gewalterfahrungen. Neben den Selbstzeugnissen in Textform werden wir uns mit Fotografien und Graphic Novel beschäftigen.

Übung:
Quellenlektüre Osteuropäische Geschichte

Die Übung Quellenlektüre dient als Angebot, russische Sprachkenntnisse anhand einschlägiger Quellen oder auch historiographischer Texte zu erweitern, zu üben und zu vertiefen. Voraussetzung sind Grundkenntnisse in einer der genannten Sprache. Die Erfahrungen der vorangegangenen Semester haben gezeigt, dass sich in dieser Übung in einer kleinen Runde unterschiedliche Niveaustufen in die Übersetzungsübungen integrieren lassen. Somit ermutigt und lädt die Übung alle am östlichen Europa Interessierten mit Grundkenntnissen Russisch zu einem Ausflug in die Welt russischer Quellen ein.

Kolloquium:
Kolloquium zur Osteuropäischen Geschichte

Das Kolloquium versammelt Vorträge zu aktuellen Themen der Osteuropäischen Geschichte von Bonner Absolventinnen und Absolventen sowie auswärtigen Gästen. Es dient allen an der Osteuropäischen Geschichte Interessierten als Diskussionsforum und Laboratorium.

Prof. Dr. Béla Bodó

Vorlesung:
History of the Habsburg Empire, 1848-1923

This course surveys economic, cultural and political developments in the multi-ethnic Habsburg Monarchy from its inception in the late 1400s until its collapse in 1918. Students will listen to lecture on the following topics: the Rise of the Habsburg Monarchy as a Response to the Ottoman Challenge; Reformation and Counterrevolution; The Thirty-Year Wars and the Fate of the Kingdom of Moravia and Bohemia; Scientific Revolution; The Liberation of Hungary from Turkish Rule; The Rákóczi Uprisings, 1703-1711; The Age of Absolutism: Maria Theresa and Joseph II; Metternich - the Age of Reaction and Reform; The Liberal Challenge: the Revolutions of 1848; Neo-absolutism and Economic Modernization in the 1850 and 1860s; The Compromise with Hungary in 1867; the Liberal Empire: Economic and Social Development after 1867; the Rise of Modern Nationalism - the Fate of Ethnic Minorities ; Jewish Assimilation and the Rise of Modern Antisemitism; Hitler’s Vienna; Foreign Policy, 1867 -1914; The Origins of WWI; The Dual Monarchy in WWI; the Disintegration of The Dual Monarchy; Afterlife: the Memory of the Habsburg Monarchy.

This is bilingual course. The instructor will lecture in English, but students can write their “Übungsaufgaben” either in English or German.

Hauptseminar:
The Impact of the First World War

 This course examines the short and long-term consequences of the Great War in a European and global context. The seminar focuses on such important topics as: the collapse of the empires; peace-making in Paris; the reorganization of East-Central Europe after the war; the “culture of defeat” and the rise of fascism; the Red Scare in the US; the crisis of democracy in the interwar period; the creation of the mandate system and the start of decolonization; the economic impact of the war; the reparation issue and the crisis of global capitalism; the changing roles of men and women during and after the war; the medical treatment of injured soldiers; the place of war veterans in post-war European society; pacifism and socialism after the Great War; the rise of avant-guard art and classical modernity after 1918; the memory of the Great War in films, literature and art; the changing historiography of the First World War.

This is bilingual course. Students can answer the instructor’s questions, present their research and write the exam/essay either in English or German.

Übung:
Modern Revolutions, 1905 - Present: A Global Perspective

 
Rebellions, revolts, and revolutions not only mark transitions in world history, but also show continuities in histories, ideas, and national mythologies through their legacies and impact. In this seminar, we will analyze conflicts that range from the intensely local to those that had sweeping global impacts. Rather than begin with the unanswerable question of “what is a revolution?” we will discuss what is at stake in naming some events revolutions and others as rebellions, insurrections, or wars of independence. What criteria have scholars established that allow or encourage us to think about some revolutions in tandem or in comparison with one another? We will discuss notions of failed vs. successful revolutions, and, connectedly, the multiple ways in which revolutionary genealogies can be and are constructed. How does this practice render some events more visible and enduring than others? How do revolutions speak to each other, both across time in the same national setting, or across national contexts? What does the act of revolt or rebellion tell us about power in a given historical moment? Events that we will discuss include (but not confined to): the Russia Revolution of 1905; the revolution and civil war in China, 1911-1947, the Bolshevik Revolution of 1917; revolutionary and counterrevolutionary upheavals in Europe after WWI; national liberation and decolonization movements in Asia, Africa and the Middle East after 1945; the Korean and Vietnam wars; national uprisings in Soviet-controlled Eastern Europe during the Cold War; the Cuban Revolution and its impact on Latin American politics; the Mexican Revolution; Peron’s rule in Argentina; Nasser’s revolution in Egypt; the rise of Pan-Arabism in the Middle East; the collapse of Communism in Eastern Europe, and the rise of political Islam after 1968.

This is bilingual course. Students can answer the instructor’s questions, present their research and write the exam/essay either in English or German.


Maria Timofeeva M.A.

Übung:
Deutsch-sowjetische Militärbeziehungen und deutsche militär-diplomatische Dienste 1922-1941

Die Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland wandelten sich in der Zwischenkriegszeit zwischen Freundschaft, Gegnerschaft und schließlich Feindschaft. Die 1920er Jahre waren eine Zeit des mühsamen Wiederaufbaus der Staaten nach dem Ersten Weltkrieg, und die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen zwei Ländern am 16. April 1922 entsprach der notwendigen Lage beider Außenseiter. Die militärische Zusammenarbeit ermöglichte den beiden Staaten die Kriegsfähigkeit ihrer Armeen unter Umgehung des Versailles-Vertrages zu stärken und die Entente-Staaten mit der Aussicht auf die Schaffung eines sowjetisch-deutschen Bündnisses unter Druck zu setzen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde diese Zusammenarbeit aufgrund der Unvereinbarkeit der politischen Positionen der zwei Diktaturen für eine gewisse Zeit aufgelöst, gleichzeitig blieben die deutsch-sowjetischen Beziehungen ambivalent. Schließlich kam es nach dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag 1939 trotz der ideologischen Feindschaft von Nationalsozialismus und Kommunismus zu den geheimen Abmachungen über die Aufteilung der Einflussbereiche im Osteuropa.

Das unmittelbare Ziel dieser Veranstaltung ist die Diskussion der politischen und militärisch-diplomatischen Beziehungen Deutschlands und der Sowjetunion während der Zwischenkriegszeit, von dem Vertrag von Rapallo 1922 bis zum Zweiten Weltkrieg. Anhand von verschiedenen Quellentexten und Sekundärliteratur werden folgende Fragen aufgeworfen: Worin bestand die militärische Zusammenarbeit beider Staaten und was waren ihre Ergebnisse? Wie veränderten sich die Beziehungen zwischen der UdSSR und dem NS-Deutschland im (außen-)politischen Kontext der Zeit? Welche Rolle spielten in diesem Prozess die deutschen militärisch-diplomatischen Dienste, bzw. die deutschen Militärspezialisten und Militärattachés?


Marcel Koschek M.A.

Übung:
Osteuropa transnational – aktuelle Forschung und historische Phänomene im 19. und 20. Jahrhundert

Die Region Osteuropa ist seit dem 19. Jahrhundert ein Gebiet vielschichtiger Verflechtungen. Denkt man an die Zeit der preußischen, russischen und österreichischen Vorherrschaft zurück, waren es vor allem Nationalbewegungen in der Region, die nach politischem Einfluss suchten. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts setzte jedoch auch eine Internationalisierung ein und die regionalen Akteure vernetzten sich durch neue Kommunikationswege über ihre Region hinaus. Um diese grenzübergreifenden Phänomene, kulturelle Transfers, transnationale Netzwerke und andere Formen von Verflechtungen zu erfassen, bietet sich die transnationale Geschichte als Perspektive an, um die vielschichtigen Strukturen zu zerlegen und als individuelle Fallstudien zu beleuchten.

Die Übung setzt sich mit der Region Osteuropa aus einer transnationalen Perspektive auseinander. Dieser Ansatz ist besonders geeignet um grenzübergreifende Prozesse und verflochtene Phänomene zu erfassen. Nach einer methodischen Einführung zur aktuellen Forschung der transnationalen Geschichte werden verschiedene Themen als Fallstudien in den Sitzungen präsentiert und diskutiert. Darunter fallen verschiedenste kulturelle, religiöse oder politische Bewegungen, lokale oder internationale Vereinigungen, bi- und multilaterale Kooperationen oder auch einzelne Akteure, deren Wirken als grenzübergreifende Verflechtungsgeschichte gesehen werden kann.

Ziel der Übung ist die Vermittlung des Zusammenspiels verschiedener Ebenen in der Geschichte. Durch die transnationale Perspektive soll der Schwerpunkt auf Verflechtungen und das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure innerhalb Organisationen oder Staaten gelegt werden.


Hera Shokohi M.A.

Übung:
Die Neukartierung der Erinnerung: Deutscher Kolonialismus in Afrika und nationalsozialistische Lebensraumpolitik in Osteuropa

 
Historiker:innen streiten — und das nicht zum ersten Mal. In den 1980er Jahren debattierte die deutsche Öffentlichkeit über das Verhältnis von stalinistischer und nationalsozialistischer Gewalt und die Stellung des Nationalsozialismus in dem kollektiven Gedächtnis der deutschen Gesellschaft. 2021 löste Dirk Moses mit seinem Artikel „Der Katechismus der Deutschen“ jüngst eine neue Diskussion in der deutschen Medienlandschaft aus. Er kritisiert den Umgang mit der Shoah, da diese im Fokus der Erinnerung steht und somit andere Opfergruppen der Nationalsozialisten und Opfer der deutschen Kolonialgewalt keinen Raum in der Erinnerungskultur finden. Seitdem debattieren Historiker:innen, Journalist:innen und Aktivist:innen über das Verhältnis von Nationalsozialismus und Kolonialismus: Haben die Nationalsozialisten imperialistisch-koloniale Politik verfolgt? Finden sich Spuren des Kolonialismus in der NS-Gewalt? Wie soll man mit der (Gewalt-)Geschichte des Kolonialismus umgehen? Kann der Status Quo der Erinnerungskultur erweitert werden und können beide Gewaltgeschichten darin koexistieren? Was sind die Grenzen und Möglichkeiten des Vergleiches beider Epochen?

Im Seminar lernen Studierende Ansätze der memory studies und genocide studies kennen. Nach einem Einstieg in den historischen Kontext (Kolonialismus, Genozid an den Herero und Nama; Lebensraumpolitik der Nationalsozialisten, Vernichtungskrieg in der Sowjetunion und Osteuropa) werden anhand von Beiträgen aus der Presse und der Geschichtswissenschaft unterschiedliche Positionen des „Neuen Historikerstreits“ analysiert und diskutiert. Um die Möglichkeiten und Grenzen der koexistierenden Erinnerung zu erproben, werden wir uns auch mit den Spuren der Gewalt ‚vor der Haustür‘ beschäftigen und Orte der NS- und Kolonialgewalt in Bonn und Umgebung untersuchen.


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